
Einführung
Die Gesellschaft wird immer älter. Die Medizin entwickelt ständig neue Behandlungsmethoden, welche das Leben vieler Menschen verlängern helfen. Dieser grundsätzlich hervorragende Umstand wird jedoch nicht ausschließlich positiv gesehen. Unsere Kanzlei beschäftigt sich seit langem mit Rechtsfragen, die speziell Menschen in der zweiten Lebenshälfte betreffen.
Vor allem ältere Menschen sehen sich mit Fragen zu den Themen „Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit“ konfrontiert. Medien und Politik nehmen sich aufgrund der Distanz zum Einzelnen der Ängste nur oberflächlich an. Die deshalb bestehende Verunsicherung lässt sich durch eine individuelle Beratung überwinden.
Patienten profitieren zwar überwiegend vom technischen Fortschritt der Medizin, dies darf jedoch nicht dazu führen, dass sie Apparaten ausgeliefert sind und sich am Ende des Lebens menschenunwürdig behandelt fühlen.
Wir haben mit vielen Medizinern über Risiken und den Umgang mit Patientenverfügungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gesprochen. Tatsächlich besteht in den meisten Fällen Handlungsbedarf. Bei plötzlich eintretender Demenz oder anderen Krankheiten sollte Klarheit über die Behandlungsweise herrschen. Handeln Sie selbstbestimmt und lassen Sie nicht ohne Not einen staatlichen Betreuer Ihre Angelegenheiten klären. Solange Sie geschäftsfähig sind, ist Vorsorge möglich.
Geschichtlicher Überblick
Seit September 2009 ist die Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gesetzlich geregelt. So findet sich in § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB eine sogenannte Legaldefinition:
„Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), [...]“
Mithilfe einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt eine Person (Vollmachtgeber) eine andere Person (Bevollmächtigter), im Falle eines krankheits- oder unfallbedingten Verlustes der Geschäftsfähigkeit alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Mit der Vorsorgevollmacht wird der Bevollmächtigte zum Vertreter im Willen, d. h., er entscheidet an Stelle des nicht mehr entscheidungsfähigen Vollmachtgebers. Die Rechtsgrundlage für dieses Handeln findet sich in §§ 164 ff. BGB.
Bis zum Jahre 2009 war die Rechtslage hinsichtlich der Patientenverfügung mangels gesetzlicher Regelung oft unklar und wurde durch Entscheidungen der Gerichte geformt.
Insoweit ist insbesondere die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. März 2003 von großer Bedeutung. Zentrale Aussage dieses Beschlusses ist, dass Patientenverfügungen und aktuelle Willensäußerungen prinzipiell verbindlich sind. So führt der BGH in seinen Leitsätzen aus:
„Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung - geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen, die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solch erklärter Wille des Patienten nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell – also aus dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen – zu ermitteln ist.“
Er führt weiter aus, dass eine gegen den erklärten Willen des Patienten durchgeführte Behandlung, die in die körperliche Integrität eingreift, eine rechtswidrige Handlung sei, deren Unterlassung der Patient verlangen könne. Die Missachtung des in einer Patientenverfügung geäußerten Willens könne als Körperverletzung strafbar sein.
Voraussetzung für die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen ist nach der Rechtsprechung des BGH, dass der Wille des Patienten für die konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festzustellen sein muss, der Verfügende die Verfügung im Zustand der Einwilligungsfähigkeit verfasst hat und nicht erkennbar von der Verfügung abgerückt ist.
Die Einwilligungsfähigkeit ist gegeben, wenn der Patient die Tragweite seiner Entscheidung erfassen und seinen Willen diesbezüglich frei bestimmen konnte, wobei es auf die Geschäftsfähigkeit nicht ankomme.
Auch hat der BGH entschieden, dass Patientenverfügungen unter den genannten Voraussetzungen auch gegenüber dem Betreuer verbindlich sind und er dem Patientenwillen gegenüber Arzt und Pflegepersonal Ausdruck und Geltung zu verschaffen hat.
In einer anderen Entscheidung vom 8. Juni 2005 hat der BGH die Verbindlichkeit der Patientenverfügung auch für das ärztliche und pflegerische Personal bejaht.
Danach kann sich der Arzt oder Pfleger weder auf eine etwa in einer Pflegevereinbarung festgelegte Behandlungsmaßnahme noch auf seinen Berufsethos oder sein Gewissen zur Rechtfertigung berufen. Gegebenenfalls müsse die Behandlung anderen übergeben werden.
Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) befasste sich bereits am 2. August 2001 mit dem Thema. Es verneinte die strafrechtliche Verantwortung des Betreuers, Bevollmächtigten oder des Arztes, sofern eine Patientenverfügung befolgt worden ist, obwohl das Leben des Patienten bei Missachtung des geäußerten Willens hätte gerettet werden können.
Schließlich entschied sich der 66. Deutsche Juristentag im September 2006 dafür, eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe und der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen voranzutreiben. So sollten Behandlungsabbrüche und das Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen auch schon vor der Sterbephase rechtlich erlaubt sein und ausdrücklich klargestellt werden, dass sich Ärzte in solchen Fällen nicht strafbar machen.
Darauf folgte eine gesellschaftsübergreifende Diskussion in der Öffentlichkeit, welche ihr Ergebnis in mehreren Gesetzesentwürfen fand, die in den Deutschen Bundestag eingebracht wurden.
Insgesamt wurden drei neue Entwürfe vorgelegt:
1. Der sogenannte Stünker-Entwurf, welcher nach Joachim Stünker benannt wurde.
2. Der Bosbach-Entwurf, für welchen Wolfgang Bosbach Pate stand. Dieser beinhaltet unter anderem die Regelung, dass eine Patientenverfügung vom Betreuer durchzusetzen sei, wenn sie notariell errichtet und nicht älter als fünf Jahre ist.
3. Der Zöller-Entwurf, welcher sich darauf beschränkte, das zwingend Erforderliche zu regeln.
Schließlich gab es noch einen Antrag einer Gruppe von Abgeordneten, die eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung grundsätzlich ablehnten. Am 18. Juni 2009 stimmten die Bundestagsabgeordneten mehrheitlich (317 Ja-Stimmen, 233 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen) für den Stünker-Entwurf mit folgenden Inhalt:
Der Wille des Betroffenen ist unbedingt zu beachten, wenn er diesen in einer Patientenverfügung niedergelegt hat. Die Grenze liegt erst bei einer Tötung auf Verlangen, die weiterhin strafbar ist. Auch sieht der Entwurf vor, dass der Wille des Betroffenen auch dann zu beachten ist, wenn die Krankheit nicht unumkehrbar zum Tode führt. Somit wird dem Selbstbestimmungsgedanken weit möglichst zur Geltung verholfen. Es gibt also keine Reichweitenbegrenzung.
In einer Patientenverfügung kann jeder Volljährige schriftlich festlegen, wie er später von Ärzten behandelt werden möchte, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Die Bevollmächtigten sind an diese Entscheidungen gebunden. Wenn die Patientenverfügung keine Regelungen zur aktuellen Situation enthält, so muss der Bevollmächtigte unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens, der in der Patientenverfügung zum Ausdruck kommt, entscheiden, ob die konkrete Behandlung gewünscht ist oder nicht.
Der handelnde Arzt muss die konkrete Behandlung mit dem Bevollmächtigten absprechen und die Patientenverfügung beachten. Das Betreuungsgericht muss erst dann eingeschaltet werden, wenn zwischen dem behandelnden Arzt und dem Bevollmächtigen Meinungsverschiedenheiten bei der Auslegung der Patientenverfügung bestehen.
Abgrenzung
Die Patientenverfügung ist vom Regelungsinhalt von der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden.
In der Patientenverfügung bestimmt der Vollmachtgeber, welche Handlungen durchgeführt oder unterlassen werden sollen. Die Patientenverfügung regelt dagegen nicht, welche Personen die sich daraus ergebenden Entscheidungen treffen dürfen beziehungsweise dafür sorgen sollen, dass der Patientenwille in die Tat umgesetzt wird.
Diese Personen können mithilfe einer Vorsorgevollmacht benannt werden. Sie ermächtigt einen Bevollmächtigten, den Vollmachtgeber in bestimmten Angelegenheiten zu vertreten. Dies kann neben persönlichen Entscheidungen zu den in der Patientenverfügung festgelegten Behandlungen auch andere rechtliche Entscheidungen betreffen (etwa zu Vermögensdispositionen). Durch eine Vorsorgevollmacht wird die gesetzliche Betreuung insoweit überflüssig.
Verbindlichkeit
Die Patientenverfügung ist nach § 1901a Abs. 1 Satz 2 BGB für den Bevollmächtigten ebenso wie für den Arzt unmittelbar verbindlich.
Sie müssen dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen Ausdruck und Geltung verschaffen, sobald und solange die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen, der Wille nicht auf ein Verhalten gerichtet ist, das einem gesetzlichen Verbot unterliegt, der Wille in der Behandlungssituation noch aktuell ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Patientenverfügung durch äußeren Druck oder aufgrund eines Irrtums zustande gekommen ist.
Auch das Betreuungsgericht ist an den in der Patientenverfügung geäußerten Willen gebunden, wenn es nach § 1904 BGB dazu berufen ist, die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung des Betreuers bezüglich einer lebensgefährdenden oder dem Unterlassen einer lebenserhaltenden bzw. -verlängernden Maßnahme zu genehmigen. Dieser Genehmigung bedarf es allerdings nicht, wenn der Bevollmächtigte und der behandelnde Arzt im Einvernehmen über den Willen des Vollmachtgebers hinsichtlich eines Eingriffs, dessen Unterlassung oder dessen Abbruch stehen (§ 1904 Abs. 4 BGB).
Nachdem die sog. Reichweitenbegrenzung keinen Eingang in das Gesetz gefunden hat und damit dem Willen des Patienten, auf lebenserhaltende Maßnahmen zu verzichten, auch dann zu folgen ist, wenn der Tod noch nicht nahe bevorsteht,gilt die Patientenverfügung auch in medizinethisch besonders umstrittenen Konstellationen, wie dem Wachkoma und der Demenzerkrankung, mit denen oftmals kein nahe bevorstehendes Lebensende verbunden ist.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass der Patient - wie bei jeder anderen Behandlung auch - selbst dann allein entscheidungsbefugt ist, wenn der Arzt eine lebenserhaltende Maßnahme für erforderlich hält. Die Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein. Die Grenze der Patientenverfügung ist jedoch erreicht, sobald die Befolgung des Willens einer Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) gleichkommen würde.
Liegt keine wirksame Patientenverfügung vor, so hat der Bevollmächtigte die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt, vgl. § 1901a Abs. 2 Satz 1 BGB.
Wenn eine der oben genannten Voraussetzungen einer Patientenverfügung nicht vorliegt, so ist diese nicht direkt anwendbar und der Bevollmächtigte bzw. Betreuer hat die Entscheidung über die weitere Behandlung zu treffen. Gleiches gilt, wenn die konkrete Situation nicht in der Patientenverfügung geregelt ist. Bei dieser Entscheidung hat der Bevollmächtigte/Betreuer entweder den ausdrücklich geäußerten oder den mutmaßlichen Willen des Patienten zu berücksichtigen. Hierbei gilt § 1901a Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB.
Kann der Wille des Patienten nicht festgestellt werden, ist auf seinen mutmaßlichen Willen abzustellen. Der mutmaßliche Wille des Patienten ist aus dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen zu ermitteln. Dies kann auch in überlieferten Behandlungswünschen Ausdruck finden.
Seitdem § 217 StGB am 26.02.2020 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist, gibt es auch beim Thema Sterbehilfe viele Unsicherheiten und Missverständnisse. Eine aktive Sterbeschleunigung, bei der der Arzt den letzten „Schritt“ zum Tod bestimmend in der Hand hat, bleibt weiter verboten. Lediglich die gewerbliche Beihilfe zur Selbsttötung ist nicht mehr unter Strafe gestellt. Dies betrifft vor allem Ärzte und Sterbehilfevereine.
Regelungsinhalt
Gegenstand der Vorsorgevollmacht ist das Einräumen von Befugnissen. Dazu gehören alle denkbaren Vermögens-, Renten-, Kranken-, Pflegeversicherungs-, Steuer- und sonstige Rechtsangelegenheiten für den Vollmachtgeber im Falle seiner Verhinderung - und nur dann - zu regeln.
Gleichzeitig dient die Aushändigung der Vollmacht an den Vollmachtnehmer dazu, einen in einer Patientenverfügung festgelegten Willen bei den zuständigen Ärzten umzusetzen. Die Vollmacht kann, muss jedoch nicht, die Möglichkeit enthalten, Untervollmachten zu erteilen. Darunter versteht man, die Bevollmächtigungen desjenigen, der über eine Vollmacht verfügt, dahingehend, dass in seinem eigenen Verhinderungsfall eine dritte Person seines Vertrauens vertretungsbefugt ist.
Da der Gesetzgeber grundsätzlich untersagt hat, dass ein Bevollmächtigter im Namen des Vollmachtgebers anschließend mit sich selbst Rechtsgeschäfte abschließt (§ 181 BGB), kann es sinnvoll sein, den Bevollmächtigten bei engen Verwandtschafts- oder Vertrauensverhältnissen von dieser Beschränkung zu befreien.
Unter einer Patientenverfügung versteht man die vorweggenommene schriftliche Einwilligung einer volljährigen Person. Diese vorweggenommene Einwilligung richtet sich an die ihn behandelnden Ärzte, wenn zu dem Zeitpunkt der Behandlung bereits die Einwilligungsunfähigkeit eingetreten ist. Die vorweggenommene Einwilligung kann sich beziehen auf Untersuchungenin Die vorweggenommene Einwilligung kann sich beziehen auf Untersuchungendes Gesundheitszustandes, sonstige Heilbehandlungen oder grundsätzlich ärztliche Eingriffe. Ausdrücklich kann in einer Patientenverfügung auch geregelt werden, dass der Vollmachtgeber im Falle seiner Einwilligungsunfähigkeit bereits vorher zum Ausdruck gebracht hat, dass er in einem solchen Zustand keine lebensverlängernden Maßnahmen erhalten möchte. Diese Willensäußerungen sollen jedoch dem Umfang nach so klar und deutlich sein, dass Ärzte daraus den Willen des Patienten eindeutig und unmissverständlicherkennen können.
In einer Patientenverfügung werden daher Festlegungen getroffen zu Einleitung, Umfang oder Beendigung bestimmter ärztlicher Maßnahmen. Dies betrifft lebenserhaltende Maßnahmen wie auch Wiederbelebungsmaßnahmen, Schmerz- und Symptombehandlungen, künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, künstliche Beatmung etc.. Ferner wird in einer Patientenverfügung noch einmal deutlich erklärt, dass der Patient erwartet, dass der in dieser Patientenverfügung geäußerte Wille zu ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen befolgt wird und dass Bevollmächtigte (siehe i. d. R. Vorsorgevollmacht) dafür Sorge tragen sollen, dass dieser Wille auch durchgesetzt wird.
Eine Patientenverfügung kann jederzeit geändert werden, z.B. aufgrund der Weiterentwicklung der Medizintechnik.
Sowohl für die Vorsorgevollmacht als auch für die Patientenverfügung ist grundsätzlich eine notarielle Beurkundung nicht erforderlich. Sollte jedoch der Vollmachtgeber über Grundbesitz verfügen und dieser von der Vollmacht umfasst sein, bedarf es bei der Vorsorgevollmacht einer solchen notariellen Beurkundung.
Untersuchungen des Gesundheitszustandes und Zwangsmaßnahmen
Es ist unter Umständen notwendig, Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe vorzunehmen, bei denen die Gefahr besteht, dass Sie aufgrund von Komplikationen einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleiden oder sterben können. In solchen Fällen kann der Bevollmächtigte nur dann ohne weitere Einschaltung des Betreuungsgerichts selbstständig handeln, wenn Sie diese Befugnis ausdrücklich in Ihre Vorsorgevollmacht aufnehmen. Hierbei empfiehlt es sich zusätzlich, auf § 1904 Absatz 1 und 2 BGB zu verweisen.
Ähnlich verhält es sich bei solchen Maßnahmen, die mit einer Unterbringung mit freiheitsentziehender Wirkung in den Grenzen des § 1906 Absatz 1 BGB einhergehen. Diese sind nur zulässig, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind. So muss aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Gefahr bestehen, dass Sie sich selbst töten oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen. Gleiches gilt zur Feststellung, ob Sie an einer solchen Krankheit bzw. Behinderung leiden, für die eine Untersuchung erforderlich ist, die nicht ohne eine solche Unterbringung durchgeführt werden kann.. Auch müssen Sie ausdrücklich in Ihrer Vorsorgevollmacht diese Befugnis einräumen, möglichst unter Nennung des § 1906 BGB. Zudem muss grundsätzlich zusätzlich die Genehmigung des Betreuungsgerichts eingeholt werden.
Sollte eine solche Maßnahme Ihrem natürlichen Willen widersprechen, ist eine derartige Zwangsmaßnahme nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich.
Ebenso verhält es sich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen. Dies trifft u.a. zu bei der Verwendung von Bettgittern, Gurten, einer medizinischen Ruhigstellung oder dem Aufenthalt in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung nach § 1906 Absatz 4 BGB. Diese Befugnisse sind ebenfalls durch das Gesetz beschränkt und müssen ausschließlich Ihrem Wohle dienen.
Erklärung zur Organspende
Seit dem 1. November 2012 ist das Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung in Kraft. Es sieht vor, dass alle Personen, die über 16 Jahre alt sind, regelmäßig alle zwei Jahre von ihrer Krankenkasse und anderen Stellen zu den Themen Gewebespende und Transplantation aufgeklärt und mithilfe eines mitgeschickten Organspendeausweises in die Lage versetzt werden, ihre Entscheidung, ob sie zur Spende bereit sind, zu dokumentieren. Es besteht allerdings keine Pflicht, sich zu erklären oder die Krankenkasse hierüber zu informieren.
Sollten Sie sich bereits hinsichtlich der Organspende erklärt haben, etwa einen Organspendeausweis ausgefüllt haben, wird befürwortet, dass Sie Ihre diesbezügliche Entscheidung auch in der Patientenverfügung festhalten. Um hier Einheitlichkeit zu gewährleisten, sollten Sie darauf achten, die gleiche Formulierung zu wählen. Der Organspendeausweis sieht folgende Formulierungen vor:
a) Ich stimme für den Fall meines Hirntodes einer Entnahme von Organen und Geweben zum Zwecke der Transplantation zu.
b) Ich stimme für den Fall meines Hirntodes einer Entnahme folgender Organe und Gewebe zum Zwecke der Transplantation zu: …
c) Ich stimme für den Fall meines Hirntodes einer Entnahme von Organen und Geweben mit Ausnahme der folgenden zum Zwecke der Transplantation zu: …
d) Ich widerspreche ausdrücklich einer Entnahme von Organen und Geweben zum Zwecke der Transplantation.
e) Über die Zustimmung bzw. Ablehnung einer Entnahme von Organen und Geweben entscheidet folgende Person: … (bitte nur eine Person nennen, ggfs. noch Ersatzbevollmächtigten)
Sofern Sie einer Organspende zugestimmt haben, ist im zweiten Schritt festzuhalten, ob im Zweifelsfall Ihre Regelungen in der Patientenverfügung oder Ihre Bereitschaft zur Organspende Vorrang haben. So kann es in einigen Fällen erforderlich sein, dass Ihre Organe bis zur erfolgreichen Entnahme der Organe für einige Stunden künstlich am Leben erhalten werden. Dies kann jedoch unter Umständen Ihren Festlegungen in der Patientenverfügung widersprechen. Um die Problematik widersprüchlicher Anordnungen zu vermeiden, sollten Sie dies im Vorfeld ausdrücklich klarstellen.
Selbstverständlich können Sie Ihre Entscheidung jederzeit wiederrufen. Hierbei ist darauf zu achten, dass möglicherweise sich im Verkehr befindende Dokumente, wie der Organspendeausweis, eingefordert und vernichtet werden. Sie können dann jederzeit einen neuen ausstellen, der Ihre geänderten Wünsche widerspiegelt.
Mit der Entscheidung des Bundestages vom 16.01.2020 soll die Bereitschaft zur Organspende gefördert werden, indem regelmäßig zu dem Thema aufgeklärt wird. Welche Möglichkeiten der teilweisen oder vollständigen Bereitschaft zur Spende es gibt, wann eine solche bereits Sinn ergeben kann (so kann beispielsweise gegebenenfalls auch die Netzhaut eines älteren Menschen mit Vorerkrankungen gespendet werden) und wo sonstige Beratungs- und Aufklärungsstellen sind, wird künftig regelmäßig im Gespräch mit dem Hausarzt geklärt. Auch Ausweisstellen und Erste-Hilfe-Kurs-Organisatoren werden künftig hierzu informieren.